Vortrag Gabriele Guerra: “Jüdisch, römisch, deutsch zugleich”: Zur Mystik des poetischen-politischen Raumes bei Karl Wolfskehl
26.6.2024, 18 Uhr 15
Ort: Seminarraum 20 (Raum 2.11) [LuWu 2]
Karl Wolfskehl, Dichter und Intellektuelle, der heute praktisch nur noch unter Experten der deutschen Literaturgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts bekannt ist, lebte viele Leben, die im Zeichen einer dreifachen Verbundenheit mit dem Judentum, der deutschen Welt und dem Mittelmeerraum standen, die es heute nachzuvollziehen gilt. Von seiner Kindheit und Jugend, die er in einer deutsch-jüdischen Familie alter Herkunft in Hessen verbrachte, über die Faszination, die der Dichter Stefan George und sein Kreis auf ihn ausübten (der im Mittelpunkt dieses Vortrags stehen wird), bis hin zum Bruch, den das Jahr 1933 darstellte und der ihn zunächst ins faschistische Italien und dann sogar nach Neuseeland ins Exil führte, durchlief Wolfskehl die reichste und tragischste Periode der deutschen Kulturgeschichte, immer mit dem Bewusstsein seiner poetischen und kulturellen Mission als Jude und als Deutscher.
Dr. Gabriele Guerra, geboren 1968. Lehrstuhl für Germanistik an der Universität Rom La Sapienza. Zuvor Dozent für Wirtschaftsdeutsch an der Universität Ca‘ Foscari Venedig, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Neuere Deutsche Literatur an der Philipps-Universität Marburg. Studien der Germanistik, Philosophie und Judaistik in Rom und Berlin; Promotion an der FU Berlin im Fachbereich Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. Veröffentlichungen: Judentum zwischen Anarchie und Theokratie. Eine religionspolitische Diskussion am Beispiel der Begegnung zwischen Walter Benjamin und Gershom Scholem, Bielefeld 2006; La forza della forma. Ernst Jünger dal 1918 al 1945 [Die Macht der Form. Ernst Jünger von 1918 bis 1945], Rom 2007; Spirito e storia. Saggi sull’ebraismo tedesco 1918-1933 [Geist und Geschichte. Gesammelte Aufsätze über das deutsche Judentum 1918-1933], Rom 2012; L’acrobata d’avanguardia. Hugo Ball tra dada e mistica, Macerata, 2020 [Der Avantgarde-Akrobat: Hugo Ball zwischen Dada und Mystik]. Weitere Aufsätze über Hugo Ball, Ernst Bloch, Stefan George, Georg Lukács, Franz Kafka, Gustav Landauer.
Schwerpunkte in den Grenzbereichen zwischen Literaturwissenschaft, Religions- und Kulturgeschichte, insbesondere: Deutschjudentum der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Literatur der Konservativen Revolution, die klassischen Avantgarden am Schnittpunkt zwischen Ästhetik und Kultur, sowie der kulturpolitische Katholizismus der Weimarer Zeit.