Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Lehrveranstaltungen

SoSe 2024

Der Bürger in der Literatur – Thomas Manns Buddenbrooks

In diesem Lektüreseminar wollen wir gemeinsam Thomas Manns klassischen Gesellschaftsroman von 1901 lesen. Als roter Faden begleiten uns die Fragen nach Bürgerlichkeit und dem Bürger in der Literatur, wir werden aber im Verlauf des Semesters ganz unterschiedliche Perspektiven und Herangehensweisen an den Text erproben, um diesen Fragen auf die Spur zu kommen. Ausgehend von unseren Lektüreeindrücken soll es um eine Einordnung in den (literatur-)historischen Kontext ebenso gehen wie um Fragen nach Männlichkeit und Klasse, aber auch um den Blick auf stilistische Auffälligkeiten und das Nachdenken über (bürgerliche) Leitmotive und die Vielstimmigkeit der Erzählung. Nicht zuletzt geht es dabei immer auch um Fragen nach Übertragbarkeit und Aktualität: In welcher Form begegnet uns Bürgerlichkeit in Manns Roman? Auf welchen Ebenen, mit welchen Konnotationen? Wie lässt sich Bürgerlichkeit allgemeiner fassen, wie wird sie literarisch verhandelt? Welche alternativen Narrative und Ausformulierungen lassen sich finden? Und was lässt sich daraus nicht nur für die Literatur des 20., sondern auch des 21. Jahrhunderts lernen? Welche thematischen Aspekte, welche Spuren eines bürgerlichen Stils können wir mit unserem gesammelten Wissen in gegenwärtiger Literatur entdecken? Wie aktuell sind der Bürger und Bürgerlichkeit als Konzepte in der (Literatur-)Wissenschaft heutzutage überhaupt noch – oder anders gefragt: wie und warum lassen sie sich vielleicht gerade heute wieder produktiv machen?

WiSe 2023/2024

KI und Kollaps oder Kollektivismus und Kulturvielfalt? Deutschunterricht zu utopischen und dystopischen Erzählungen in verschiedenen Medien

In was für einer Welt wollen wir leben? Diese Frage stellen wir uns nicht nur im Jahr 2023 angesichts von Klimakrise, Krieg und dem Vormarsch Künstlicher Intelligenz in unserem Alltag, auch die Literatur beschäftigt sich schon lange damit, wie menschliches Zusammenleben vorstellbar und wünschenswert ist. Und findet darauf sehr unterschiedliche Antworten: Während utopische Entwürfe es sich zur Aufgabe machen, das literarische Potential auszuschöpfen, um eine bessere Welt zumindest in der Fantasie zum Leben zu erwecken, spitzen Dystopien das zu, was uns schon im Alltag mitunter als bedrohlich begegnet: Überwachung, Konflikt, Kontrolle durch Technik.
Das Thema ist für den Deutschunterricht jedoch nicht nur im Zusammenhang mit utopischen und dystopischen literarischen Texten relevant, sondern betrifft mit dem Entwickeln, Prüfen und Diskutieren einer/eigener Lebensmaxime/n, Fragen des gesellschaftlichen Engagements und dem Spannungsverhältnis Individualisierung–Solidarität die Schule allgemein und grundsätzlich alle Wissensbestände des Deutschunterrichtes (LSA FLP Sek S.7, Gym S. 4).
Wir wollen uns in diesem Seminar das Potential dystopischen und utopischen Erzählens genauer ansehen und anhand von einigen gegenwärtigen Beispielen diskutieren. Die aus dieser Beschäftigung resultierenden Fragen und Gedanken sollen dann in einem zweiten Block für den Schulunterricht produktiv gemacht werden: Wie lassen sich Beispiele utopischen/dystopischen Schreibens (auch Filme, Comics u.ä.) in den Unterricht einbringen, welche Fragen lassen sich daran entwickeln und besprechen?
In Kooperation mit der Gemeinschaftsschule Riesenklein werden wir das literatur- und kulturwissenschaftliche sowie didaktische Wissen im dritten Teil des Seminars nutzen, um Lernmaterialien zu erstellen. Dafür wird vorbereitend das Konzept der Freiarbeit als Teil der Freinet-Pädagogik allgemein und mit Bezug auf den Deutschunterricht eingeordnet die erstellten Materialien an der Schule erprobt.

SoSe 2023

Schwache Männer? Fiktionen des Niedergangs im Gegenwartsroman

„Ich bin schon als Schwächling auf die Welt gekommen und meine Privilegien haben mich nur noch weiter geschwächt“, stellt der Erzähler in Simon Strauß’ 2017 erschienenem Text Sieben Nächte fest und ruft damit ein Motiv auf, das sich in der aktuellen Gegenwartsliteratur großer Resonanz erfreut: dem Bild des schwächelnden Mannes. Positioniert inmitten einer von Individualismus und Dekadenz geprägten westlichen Gesellschaft scheint der Mann all seine vitalen Kräfte verloren zu haben. Dieser Imagination wollen wir im Seminar folgen: Wie wird in gegenwärtigen Fiktionen eine Geschichte des Niedergangs erzählt? Welche Rolle spielen dabei die männlichen Figuren? Und wie knüpfen diese Narrative an Dekadenz-Diskurse des 19. und 20. Jahrhunderts, aber eben durchaus auch an neurechte Klagen des Verfalls an?
Wir werden dafür im Verlauf des Seminars drei Texte intensiv besprechen: Michel Houellebecqs Unterwerfung (2015), Simon Strauß’ Sieben Nächte (2017) und Monika Marons Artur Lanz (2020). Anhand dieser drei Lektüren (ergänzt durch Sekundärliteratur und Texte zur Rezeption) machen wir uns gemeinsam auf die Suche nach Erzählungen von (schwacher) Männlichkeit in der Gegenwart und befragen diese Erzählungen auf ihre Vorannahmen, Implikationen und Lücken.

WiSe 2022/2023

Der Blick des Flaneurs – Großstadtliteratur der 1920er Jahre

Am Beispiel der Stadt Berlin und ihren literarischen Beschreibungen aus den 1920er Jahren werden wir uns in diesem Seminar ausführlich mit der Figur des Flaneurs als Autor und Beobachter der Großstadt beschäftigen. Es gilt, den spezifischen Blick des Flaneurs auf seine Umwelt zu untersuchen und zu den literarischen Formen in Beziehung zu setzen, in denen er seine Eindrücke auf Papier zu bannen versucht: Was genau passiert in diesen häufig in Form des Essays oder der Zeitungskolumne gehaltenen Texten? Von was berichten sie? Was versuchen sie zu vermitteln? Mit Miniaturen und Auszügen von Franz Hessel, Siegfried Kracauer, Walter Benjamin, Georg Simmel, Erich Kästner u.a. begeben wir uns auf eine literarische und literaturwissenschaftliche Spurensuche in das Berlin der 1920er Jahre.

Im zweiten Teil des Seminars werden wir uns aber auch mit den Leerstellen, den blinden Flecken dieser Texte auseinandersetzen: Welchen Fokus hat der Blick des Flaneurs, was bleibt ihm verborgen? Welche bürgerlichen, männlich-codierten Stimmen sprechen aus den behandelten Beispielen? Zum Abschluss wagen wir uns dann an eine Aktualisierung für die Gegenwart: Wie wird im 21. Jahrhundert über die Großstadt geschrieben? Was prägt den literarischen Blick auf die Stadt und ihre Gegenwart heute? Und was ist aus der Praxis des (literarischen) Flanierens geworden?

SoSe 2022

Kulturgeschichte der Klage

„Es wecke die Klage / Den Todten nicht auf, / Das süßeste Glück für die traurende Brust, / Nach der schönen Liebe verschwundener Lust, / Sind der Liebe Schmerzen und Klagen.“ -- So schreibt Friedrich Schiller 1798 in Des Mädchens Klage und wirft bereits in diesen wenigen Zeilen einige Fragen auf, die uns durch das Semester begleiten werden: Was bedeutet es, über Verlorenes zu sprechen? Welche Rolle spielt das Abwesende? Wie wird es in den Texten jeweils literarisch anwesend gemacht? Welche Funktionen erfüllt die Klage, ihre literarische Inszenierung und sprachliche Performance? Welches Potential für Individuum und Gesellschaft steckt in ihr?
Dabei werden wir uns ausgehend von Schiller und Autoren wie Heinrich Heine und Rainer Maria Rilke bis Bertolt Brecht im Verlauf des Seminars auch in weiter entfernte historische Tiefen vorwagen: Mittelalterlicher Minnesang wird uns neben der Elegie ebenso interessieren wie antike Klageweiber, die Totenklage und biblische Lamentation. Die Beschäftigung mit diesen Traditionen soll stets auch den Blick auf das 21. Jahrhundert erhellen: Welche Spuren der Klage finden sich in gegenwärtiger Literatur und Lyrik? Welche Konstellationen von Trauer, Geschlecht und Kulturkritik finden sich in diesen Beispielen wieder? Und wie lassen sich kontemporäre Ausdrucksformen von Schmerz und Verlust, gerade auch in Zeiten des Krieges, in diese europäische Kulturgeschichte der Klage einordnen?

WiSe 2021/2022

Identität im Gegenwartsroman

„Identitätskämpfe sind Kämpfe um Fiktionen in der Wirklichkeit“, bemerkt Mithu Sanyal im  Nachwort ihres 2021 erschienenen Romandebüts Identitti und weist damit auf die regen gesellschaftlichen Debatten hin, die seit einiger Zeit um Fragen von Zugehörigkeit, Selbstbestimmung, (gesellschaftlicher) Inklusion und Exklusion und der sie strukturierenden Machtverhältnisse kreisen.
Im Seminar wollen wir uns diesen Fragen nähern, indem wir zeitgenössische fiktionale Texte dazu befragen, wie Identität in ihnen erzählt und imaginiert wird: Welche Narrative von Zugehörigkeit werden aufgerufen und in welcher Beziehung stehen sie zu Kategorien wie race/class/gender? Wie werden über literarische Figuren Identitäten entworfen und/oder in Frage gestellt? Und in welches Verhältnis lassen sich diese (Erzähl-)Figuren zu ihren Autor:innen setzen?
Ausgehend von Sanyals Identitti werden wir uns im Verlauf des Semesters mit drei bis vier weiteren Romanen  beschäftigen, die in den letzten Jahren erschienen sind und sich explizit oder implizit mit den aufgeworfenen Fragen literarisch auseinandersetzen. In den ersten Sitzungen gilt es gemeinsam Perspektiven zu entwickeln, unter denen die einzelnen Romane diskutiert werden können. Die Auswahl der konkreten Titel, mit denen wir uns jeweils über mehrere Wochen auseinandersetzen werden, wird im Verlauf der nächsten Wochen bekannt gegeben. Die Bereitschaft zur gründlichen Lektüre der Romane sowie punktueller Sekundärtexte wird vorausgesetzt, ebenso wie die Bereitschaft, sich aktiv an den Seminardiskussionen zu beteiligen.

SoSe 2021

Utopische Szenen in Kinder- und Jugendliteratur

„Somit wäre die Geschichte zu Ende und dieses Ende ist gerecht, glücklich […] und wir können der Zukunft vertrauend sämtliche Personen getrost ihrem Schicksal überlassen“. Mit diesen Worten schließt Erich Kästner am Ende  seiner Erzählung von Pünktchen und Anton. Nicht jedoch, ohne im Anschluss darauf hinzuweisen, dass es im echten Leben anders zugehe: „Es sollte so sein und alle verständigen Menschen geben sich Mühe, dass es  so wird. Aber es ist nicht so. Es ist noch nicht so.“
Dieser Spur des Noch-Nicht soll ihm Rahmen des Seminars zu utopischen Szenen in Kinder- und Jugendliteratur nachgegangen werden. Ausgehend von der These, dass im Schreiben für Kinder und Jugendliche ein besonderer Freiraum für idealistisches Erzählen besteht, werden ausgewählte Bücher nach ihrem utopischen Potential befragt und ihre spezifischen Weltentwürfe nachvollzogen werden. Thematische Schwerpunkte wie Zugehörigkeit, kindliche Selbstbestimmung und Gerechtigkeit, aber auch Diversität und Inklusion helfen dabei, den Blick auf unterschiedliche Aspekte zu richten und die Geschichten auf einzelne utopische Narrative hin zu untersuchen.
Klassische Autor:innen wie Astrid Lindgren, Erich Kästner und Cornelia Funke werden dabei ebenso gelesen werden wie weniger bekannte Autor:innen der Jugendliteratur wie David Levithan u.a.

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